2. Juni 2022, 13:00 Uhr, Casa d’Italia, Bern

Einleitung

Anna Lindermeier, Verkehrswende Jetzt!

Sehr geehrte Medienschaffende, liebe Zuschauer*innen

Herzlich willkommen zur Pressekonferenz von “Verkehrswende Jetzt!” hier in Bern. Wir sind eine schweizweite Bewegung, welche lokale Gruppen miteinander vernetzt, die sich gegen neue Autobahnen und für eine Verkehrswende einsetzen.

Seit Jahren zeigen Studien, dass Verkehrsprobleme nicht durch zusätzliche Strassen und Autobahnen gelöst werden können, und trotzdem baut das Bundesamt für Strassen (ASTRA) munter weiter. 

Mehr Strassen bedeuten mittelfristig immer mehr Autos und mehr Treibhausgasemissionen. Trotzdem werden weiter zusätzliche Autobahnen geplant und gebaut. Das heizt die Klimakrise weiter an. Der Weltklimarat (IPCC) warnt, dass die Emissionen schnellstmöglich sinken müssen, um Leben auf diesem Planeten zu erhalten. Doch das ASTRA handelt, als würden die wissenschaftlichen Warnungen nicht existieren und lässt uns weiterhin mit Vollgas in Richtung Klimakrise rasen.

Unter der verantwortungslosen Verkehrspolitik der Schweiz leiden nicht nur ihre Bewohner*innen, sondern auch Menschen aus ganz anderen Teilen der Welt. Insbesondere im globalen Süden, der von der Klimakrise besonders hart getroffen wird, spüren schon heute viele Menschen die Folgen der Klimaerhitzung: Sie verlieren ihr Zuhause, ihre Gesundheit oder gar ihr Leben. Dazu kommt, dass diese schon heute stark betroffenen Menschen am wenigsten zur Entstehung der Klimakrise beigetragen haben. Die Schweiz als privilegiertes, reiches Land im globalen Norden hat also eine riesige Verantwortung, ihre Emissionen schnellstmöglich auf netto null zu reduzieren. Das beinhaltet auch eine Verkehrswende. Jede neu gebaute Autobahn verstösst gegen das Pariser Abkommen und bringt uns einen Schritt näher zur 1,5-Grad-Grenze.

Unter neuen Autobahnen leiden aber auch die Anwohner:innen. Zusätzlicher Lärm und mehr Abgase verringern die Lebensqualität, ebenso der schwindende Platz in den Städten und die grösseren Unfallzahlen. Auch wird mit den Autobahnen oft den Landwirt:innen das Land zerschnitten und die Biodiversität leidet, wenn sich Wildtiere plötzlich mit einer Betonschneise, zusätzlichem Lärm und Luftverschmutzung zurechtfinden müssen.

Wir kämpfen daher für eine Kehrtwende hin zu einer ökologischen und sozialen Mobilität – für eine radikale Verkehrswende – und zwar jetzt.

Im Folgenden zeigt Ronja Niklaus, wie eine Verkehrswende aussehen könnte und was wir darunter verstehen. Anschliessend erklärt Raimond Gatter was Lokalgruppen sind und was ihre Rolle bei der Verkehrswende darstellt. Zuletzt informiert euch Florian Hebeisen über Verkehrswende Jetzt! und den nationalen Aktionstag.

Wie könnte eine Verkehrswende aussehen?

Ronja Niklaus, Verkehrswende Jetzt!

Der letzte IPCC-Bericht erklärte, dass ein Wandel geschehen muss, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hat – dies gilt auch für den Verkehrssektor. Auch die nie aufhörenden Verkehrsprobleme, der steigende Lärm in Städten, der steigende Flächenverbrauch des Verkehrs und die Verdrängung der Natur schreien nach einem Umdenken in der Verkehrspolitik – nach einer Verkehrswende.

Die institutionelle Politik tut jedoch so, als wären Elektroautos und autonom fahrende Autos die Lösung für all diese Probleme, wie heute im Nationalrat besprochen werden soll. Der elektrifizierte Individualverkehr führt in eine ökologische Sackgasse – denn auch Elektroautos brauchen Strassen und unnötig viel Platz. Ausserdem werden für ihre Batterien seltene Metalle benötigt, die mit giftigen Chemikalien und unter miserablen Arbeitsbedingungen aus dem Boden geholt werden.

Eine Verkehrswende sieht für uns ganz anders aus. Verkehrsprobleme können nicht durch zusätzliche Autobahnen gelöst werden, denn mehr Autobahnen führen zu mehr Autoverkehr – das ist wissenschaftlich belegt. 

Vielmehr müssen die Alternativen zu den platz- und energieineffizienten Autos massiv gefördert werden. Es braucht in Städten schnelle und sichere Fuss- und Velowege. Auch der öffentliche Verkehr muss stark ausgebaut und gut bezahlbar gemacht werden. Für Situationen, in denen man auf ein Auto angewiesen ist, müssen Ansätze wie Carsharing und Carpooling gefördert werden.

Mobilität soll also für alle zugänglich gemacht werden – anders als heute, wo Mobilität bedeutet, sich entweder ein teures Auto oder teure Zugtickets leisten zu können. Dabei dürfen aber unsere Lebensgrundlagen und unsere Lebensqualität nicht zerstört werden. Wir fordern also ein Verkehrssystem, das auf Menschen statt auf Blechkisten ausgerichtet ist. 

Lokalgruppen

Raimond Gatter, Interessensgemeinschaft Mobilität Region Uznach (IGMRU); Verkehrswende Jetzt

Viele der Auswirkungen unserer heutigen Verkehrspolitik bekommen wir auch auf lokaler Ebene zu spüren. Ob nun Autobahnen durch die Stadt geplant werden,  zusätzlicher Lärm entsteht, öffentlich Plätze zerstört werden, Wald gerodet wird oder einfach der Alltag mit dem Velo gefährlich und mühsam wird – neben den globalen Auswirkungen durch die zusätzlich entstehenden Treibhausgasemissionen entstehen also auch enorme Schäden vor Ort.  In der nationalen Strassenplanung werden aber die lokalen Bedürfnisse viel zu wenig berücksichtigt.

An etlichen Orten haben sich in den letzten Jahrzehnten Menschen zusammengetan und sich gegen die meist auch völlig überzogenen Strassenbauprojekte gewehrt – teilweise mit Erfolg. So konnten auch schon Projekte verhindert werden, wie der Westast in Biel oder die Spange Nord in Luzern. 

Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) plant in den nächsten Jahren über 30 neue Autobahnprojekte. Wenn diese nicht verhindert werden, drohen gravierende Folgen für die lokale Bevölkerung und für Menschen auf der ganzen Welt, die dadurch noch stärker unter der Klimakrise leiden. Lokaler Widerstand ist darum dringend nötig!

Mit Verkehrswende Jetzt vernetzen sich die Lokalgruppen, teilen ihre Erfahrungen miteinander und haben eine gemeinsame nationale Stimme gegen die unverantwortlichen Pläne des ASTRA. Gemeinsam setzen wir uns für eine sozial gerechte und ökologische Verkehrswende ein.

Verkehrswende Jetzt! und Aktionstag

Florian Hebeisen, Verkehrswende Jetzt!

Verkehrswende Jetzt ist eine schweizweite Bewegung, die verschiedene lokale Initiativen vernetzen und ihre Forderungen auf nationaler Ebene stellen will. Wir sind eine Graswurzel-Bewegung, das heisst wir organisieren uns möglichst hierarchiefrei und alle können sich an unserer Arbeit beteiligen. 

Wir setzen uns für eine ökologische und soziale Verkehrswende und gegen den Bau neuer Autobahnen ein. Daher haben wir folgende Forderungen formuliert:

  1. Wir fordern eine Wende hin zu einer sozial gerechten und ökologischen Mobilität. Dieser Wandel soll dem Prinzip der Klimagerechtigkeit entsprechen. 
  2. Wir fordern die Einhaltung des Pariser Abkommens bzw. das Ziel, unter einer Erhitzung von 1.5 Grad zu bleiben. Dafür müssen auch die Emissionen des Verkehrssektors jetzt rasch sinken und spätestens 2030 Netto Null erreichen. 
  3. Wir fordern eine Verkehrspolitik, die allen Menschen Lebensqualität ermöglicht. 

Für den 17. September rufen wir zu einem nationalen Aktionstag auf. Wir zeigen damit, dass sich in der ganzen Schweiz Gruppen gegen geplante Autobahnen und für eine Verkehrswende einsetzen.

An diesem Tag wird es viele verschiedene Aktionen geben. So werden zum Beispiel in Luzern und Bern Feste organisiert und in Melano gibt es zusätzlich auch noch eine Demo. Zudem wissen wir, dass auch in Uznach, Brugg und St. Gallen etwas in Planung ist. Wahrscheinlich wird es auch noch in weiteren Regionen kleinere oder grössere Aktionen geben.

Für den Aktionstag sind auch Gruppen und Einzelpersonen, welche sich eine sozial gerechte und ökologische Verkehrswende wünschen, dazu aufgerufen, eine kleine oder grosse Aktion durchzuführen. Wir haben auf unserer Webseite auch einen Aktionskonsens für diesen Aktionstag aufgeschaltet,